In my eyes - die Reportage
Romy Schneider - der Inbegriff deutscher Träume !?
An dieser Stelle sollte eine Reportage über das Leben einer der größten
deutschsprachigen Schauspielerinnen
unter dem Aspekt Träume stehen. Da mich persönlich eine Menge mit Romy
Schneider verbindet, war es mir etwas zu einfach nur Teile ihrer Biographie
wiederzugeben. Deshalb habe ich mir Gedanken darüber gemacht, welche Träume
mich und Millionen anderer Bewunderer mit dieser einzigartigen Persönlichkeit
verbinden. Zu welchem Schluß ich gekommen bin, möchte ich ihr in einem
persönlichen Brief mitteilen:
Romy - Romy Schneider, Weltstar, Mutter, Femme Fatale, Emanze, Schauspielerin -
du warst alles in einer Person, der Inbegriff nicht nur deutscher Träume. Wer
dich verachtete oder hasste, liebte dich gleichzeitig, denn du warst, was jeder
von uns tief in seinem Inneren sein will. Berühmt, begehrt, sinnlich, erotisch,
schön, reich und übermäßig talentiert - und doch zu deutsch, um das Leben so zu
nehmen, wie man es nehmen sollte, wenn man es leicht nehmen will. In dir
steckte die Spießbürgerlichkeit, wie in jedem von uns, wenn du von Kindern,
Ehemann, Socken stricken und Plätzchen backen geträumt hast. Doch du warst
soviel mehr, in deinen Träumen vom Leben, der Liebe und vom Freisein. Aus
tiefsten Herzen, mit jeder Faser deines Körpers und deiner Seele warst du
jedoch nur eines wirklich: Schauspielerin. Dein größtes Talent war es, die
Menschen zu bewegen. Ja, du hast uns bewegt, ganz tief innen drin, so tief in
uns, das wir diese Stelle vielleicht garnicht kennen. Uns Frauen hast du
fasziniert mit deiner Lebenslust, deiner Unabhängigheit von Männern, deiner
Stärke und einer Art von Emanzipation, die zu diesem Zeitpunkt noch sehr
untypisch war. Du hast unsere weiblichen Träume verkörpert, du warst und bist
bis heute unser Ideal. Gleichzeitig hast du auch die Männer berührt, mit deiner
Sinnlichkeit, deiner Sensibilität und deiner anmutigen Erotik. Du hast ganze
Nationen bewegt, mit deiner Offenheit, deinem Talent und deinen Filmen.
Ich bin mir sicher, dass dich hier in Deutschland nicht wirklich jemand gehasst
hat. Hinter all diesem jämmerlichen Zeitungsgeschmiere über den abtrünnigen
Filmstar stand doch nur der blanke Neid. Neid auf dein Leben und die Feigheit,
zuzugeben, dass du bist, wie man selbst gerne wäre. Was denkst du, wie viele
Frauen insgeheim sofort mit der getauscht hätten, wenn sie dein Leben in Paris,
deine neue Freiheit und deine Liebschaften hätten haben können? Zugegeben hätte
es keine, aber ich glaube davon geträumt haben fast alle. Es war nichts als
verletzter Nationalstolz, was in den Zeitungen gedruckt wurde. Es ist aber auch
schlimm, wenn der einzige große Star den ein Land hat, einfach so ins Ausland
geht. Da bricht eine Welt zusammen. In Deutschland hat man einfach nicht
kapiert, dass hier zu leben, nicht dein Traum war, und dass du in erster
Linie der Mensch und erst in zweiter der Star warst.
Auch wenn du immer versucht hast, deine Träume zu leben, und das auch zum
größten Teil getan hast, bin ich mir sicher, dass gerade das dich so zerstört
hat. In deiner absoluten Art wolltest du alles, doch du warst nicht fähig,
damit zu leben, zu gegensätzlich um dich mit entweder oder zu begnügen. Du
konntest es nicht vereinbaren, das Mutter und Schauspielerin sein, das treu und
frei sein, den Schwermut und die Lebenslust. Du bist zerbrochen, am Versuch,
das unmöglich zu schaffen, mit Gewalt zu verbinden, was sich eigentlich
abstößt. Sie hat all deine Kraft gefordert, die ständige Suche, nach dem
vollkommenen Glück. Obwohl du immer alles gegeben hast, warst du nie vollkommen
und heute, Jahre nach deinem Tod, wo es fast kein Geheimnis mehr über dich
gibt, lieben wir dich vorallem wegen deiner Unvollkommenheit. Damals konntest
du nicht verstanden werden, dazu warst du zu emanzipiert, aber du wurdest dafür
bewundert. Trotzdem hat man dich angeprangert, um nicht selbst mit
solchen Träumen in Verbindung gebracht zu werden.
Wie auch immer du wirklich warst, hundertprozentig warst du nur Schauspielerin.
In deinen Filmen warst du am echtesten, am ehrlichsten. In deinen Rollen hast
du mehr von dir preisgegeben, als in deinem Leben. Vielleicht waren deine Filme
dein Leben und dein Leben? Nur ein schlechter Film. Jedenfalls hast du mit der
Suche nach der Verwirklichung deiner Träume, die Träume von Millionen Menschen
erweckt. Deutsche oder Franzosen, Männer oder Frauen, weltweit wurde von dir
geträumt, als Mutter oder Schauspielerin, als Heilige oder Hure.
Ob du gerade schwach warst oder stark, du hast in jedem etwas getroffen, ob man
es zugegeben hat, oder nicht. Das hat dich zum Mythos gemacht. Diese Macht,
alles zu sein, diese Unvollkommenheit, diese Ambivalenz zwischen all den
Extremen, die in dir vereint waren.
Auch Sissi, die du so sehr gehasst hast, hat den Menschen viel gegeben, denn
sie hat ihren Traum von einer heilen Welt für kurze Zeit realisiert. Sie hat
die schwarze Nazi-Vergangenheit mit rosa Zuckerguß, wie einen verbrannten
Kuchen überzogen. Mit Sissi hast du einer ganzen Nation ein Gefühl von Friede
und Harmonie vermittelt, schade nur, dass genau diese Menschen nicht gemerkt
haben, dass Leben nicht nur Glück, und dass Romy nicht nur Sissi ist.
Nadja