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DAS KÖNIGLICHE WEIHNACHSTMENÜ elfriede förster: 2000-12-03
  Ein Rätsel ohne Auflösung

Das Fernsehprogramm in der Hand lese ich:
18:15 Uhr; "Was Grossmutter noch wusste" - Weihnachtsmenü".

Sicher stehen für die Zubereitung die beste Auswahl an zartem Fleisch, erstklassigem Fisch, feinstem Gemüse, frischer Kräuter und leckersten Drumherums bereit.
Doch nichts, aber auch garnichts von all den Gaumenkitzlern kann mein Verlangen danach so anstacheln, wie das "Menü" an Weihnachten 1945.
Am Heiligen Abend krochen die Minuten entsetzlich langsam dahin. Wann endlich ist Bescherung? Wir spielen "Elfer raus", mein fast fünf Jahre jüngerer Bruder und ich.

Das Abendessen war schon vorbei. Aber so richtig satt waren wir alle nicht. Nichts Neues! Seit Monaten ging das so. Es war schwer für uns, etwas zum Essen aufzutreiben. Geld und Lebensmittelkarten nutzten nichts. Die Geschäfte waren leer. Alles was Bauern zum Tauschen akzeptierten: Geschirr, Bett- und Tischwäsche, Handtücher, Schmuck und ähnliches mehr gegen Gemüse, Kartoffeln usw. hatten wir schon weggegeben.
Doch meine Mutter hatte gestoppelte Kartoffeln und Getreidekörner aus gesammelten Ähren versteckt und aufbewahrt für Weihnachten. So gab es Kartoffelsalat und Getreidefrikadellen. Es schmeckte gut!

Endlich durften wir das Wohnzimmer betreten. Echte Weihnachtsstimmung in der warmen Stube! An diesem Abend wurde nicht an Brennmaterial gespart. Wir sangen vertraute Leider und hörten die Weihnachtsgeschichte.
Dann gab es die Geschenke! Staunend schaute ich auf meine Puppe. Sie war wunderschön, echt schick!
Meine Mutter hatte aus einer verschlissenen Schürze und zu klein gewordenen Bluse meine Puppe ganz neu eingekleidet, von Kopf bis Fuss, alles zum Aus- und Anziehen. Ich war hocherfreut und voll beschäftigt bis - ja bis ich die Köstlichkeiten entdeckte, die mein Bruder vor sich liegen hatte. Er sass am Tisch und starrte verklärt auf sein Weihnachtsgeschenk. Ich konnte es nicht fassen, glaubte zu träumen. Auf einem Tablett lagen zwei Scheiben Weissbrot, eine Scheibe Schinken und ein Scheibchen Butter.
Vergessen war die Puppe mit allem Neuen. Es gab nichts mehr im Zimmer ausser diesem Tablett mit dem Weihnachtsmenü. Paradiesisch!
Ich kam in die Wirklichkeit zurück, als mir mit ernstem Ton erklärt wurde: "Das gehört ganz allein deinem Bruder. Untersteh dich davon etwas versuchen zu wollen."

Bald ging ich ins Bett!
Letztlich war man doch gnädig mit mir. Ich brauchte nicht zuzugucken, während sich mein Bruder, sicher genüsslich, sein Geschenk auf der Zunge zergehen liess. Als ich am nächsten Vormittag aus dem Gottesdienst zurückkam, war von dem königlichen Weihnachtsmenü nichts mehr übrig.
Das Rätsel blieb - bis auf den heutigen Tag: Woher hatte meine Mutter all die Zutaten?




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