!MARCS young electronic magazine
AUSGABE: November 2005


Rubrik: JAM

BUCHTIPP: Ich und die anderen

Hast du ein Problem? Versuch es zu beseitigen. Klappt es nicht? Geh dem Problem aus dem Weg. Klappt auch das nicht? Lass dein Problem hinter dir und zieh in eine andere Stadt. Versteck dich. Flieh!


Denn es heißt ja bekanntlich: Aus den Augen aus dem Sinn...
Doch was tun, wenn dein Problem du selbst bist? Du kannst dich nicht vor dir selber verstecken.

Andy Gage hat so ein Problem. Er hat eine multiple Persönlichkeitsstörung. In seinem Kopf gibt es ein Haus, in dem außer ihm noch viele andere Personen wohnen.

Andy war noch ein Kind als sein Vater starb und seine Mutter einen anderen Mann heiratete. Damals wusste Andy noch nicht was der Stiefvater für eine Rolle in seinem Leben spielen wird. Doch die Wahrheit lies nicht lange auf sich warten. Andy war noch ein hilfloses kleines Kind als er zum ersten Mal in seinem Leben von seinem Stiefvater sexuell missbraucht wurde. Es passierte nicht nur das eine Mal. Nein, er musste es viele Jahre über sich ergehen lassen. Doch das Schlimmste war und ist für ihn, dass seine Mutter, die er so geliebt hat, davon wusste und nichts unternahm. Jetzt ist Andy erwachsen und hat das Haus und alle seine Bewohner unter Kontrolle. Zumindest die meiste Zeit. Aber er ist nicht der einzige Multiple auf der Welt. Und als er auf Penny Driver, eine völlig verwirrte junge Frau, trifft, beschliest er ihr zu helfen. Penny hat noch nicht verstanden was mit ihr los ist. Um sich dessen richtig bewusst zu werden, dass man eine MP-Störung hat, muss man einen langen und mühsamen Weg gehen. Und wenn man diesen endlich geschafft hat, liegt noch ein viel weiterer Weg vor einem, der eine gewisse Ordnung im Unterbewusstsein herstellt. Diesen Weg ganz alleine zu gehen ist die Hölle, das weiß Andrew. Oder besser gesagt, weiß dies sein Vater Aaron, der das Haus in Andy Gages Kopf baute noch bevor Andrew erschaffen wurde. Penny will sich am Anfang nicht helfen lassen, weil sie nicht an MP-Störungen glaubt. Gut, sie hat des Öfteren Black Outs, aber das heißt noch gar nichts. Die Tatsache, dass sich ihre Black Outs Tage, Wochen ja manchmal sogar Monate hinziehen, ignoriert sie zuerst. Warum sollte sie denn dem armen Spinner, der schon ein paar Mal in der geschlossenen Abteilung gelandet war, auch glauben? Sie ist bis jetzt mit ihrem Leben einigermaßen klargekommen und das sollte auch so bleiben. Penny war nie richtig mit ihrer Situation zufrieden, falls man es überhaupt eine Situation nennen konnte. Aber sie hatte gelernt sich auf die hilfreichen Botschaften, die sie immer und besonders nach einem Black Out überall vorfand, zu achten. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung von wem diese Botschaften waren, denn ihre Schrift war das bestimmt nicht. Aber sie wusste, dass der, der ihr das geschrieben hatte, es gut mit ihr meinte.

Nachdem sie sich aber doch auf ein Treffen mit Andrews ehemaliger Psychologin einlässt, wird ihr schlagartig klar, dass sie etwas gegen diese Stimmen in ihrem Kopf unternehmen muss. Penny hat Angst, sie will eigentlich nichts davon wissen. Sie möchte doch einfach nur so leben wie früher. Doch jetzt gibt es kein Zurück mehr. Sie muss in ihrer Vergangenheit wühlen und das tut weh. Und irgendwie kommt es, dass auch Andrew sich auf die Reise zurück in seine Vergangenheit begibt. Beide gehen diesen Weg gemeinsam, auch wenn jeder von ihnen seine eigene tragische Geschichte hat.

Dieses Buch mag verwirren. Doch eben durch diese komplexe Schreibweise wird dem Leser erst richtig klar wovon der Roman handelt. Um zu begreifen wie es ist, als ein Multipler in unserer Gesellschaft zurechtzukommen, muss man das Buch einfach gelesen haben.

Jedoch ist der Roman nicht unbedingt jugendfrei. Da gibt es zum Beispiel eine Menge Schimpfwörter, die einen zwar ziemlich stören, die allerding wichtig für das Verstehen sind. Und die paar Szenen voller sexueller Spannung (die zum Teil ganz genau beschrieben werden), sind auch nicht unbedingt für kleine Kinder gedacht.

Doch das Buch ist es alle Mal wert, gelesen zu werden!

Autor: kraski
Erstellt am: 2005-05-11