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KURZGESCHICHTE: LILO MARLEEN |
heinz danner: 2005-04-08 |
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Eine Kurzgeschichte zum 100. Geburtstag von Lale Andersen über das "schönste aller Liebeslieder" (John Steinbeck)
Wir waren Medizinstudenten in der Uniform der Luftwaffe. Ich glaube, dass es 1941 gewesen ist, als wir uns abends bei einem Kollegen trafen, um zu quatschen und zu schimpfen. Die Verdunkelung der Wohnung musste eingehalten werden. Die Bombenteppiche des Feindes (heute sagen wir der "Alliierten") hatten noch nicht eingesetzt. Da gebe es ein Lied, das abends um 10:00 Uhr im Radio zu hören sei. "Ganz toll!" sagte ein Kollege. Nun, ein kleines Radio war vorhanden. Wir saßen in dem kleinen Zimmer von Friedrich auf einem Hocker, einem Stuhl und auf dem Bett und warteten. Um 10:00 Uhr die Ansage: "Hier ist der Soldatensender von Belgrad!" Gleich darauf begann die Stimme der Lale Andersen. "Vor der Kaserne, vor dem großen Tor, stand eine Laterne, und steht sie noch davor, so wolln wir uns wieder sehn, bei der Laterne wolln wir stehn wie einst, Lili Marleen."
Noch vier Strophen folgten. Wir hörten wie gebannt zu. Der schlichte Text, ohne den propagandistischen Kampfgeist, diese Melodie, mehr Volkslied als Schlager. Und das in Mitten des Rummels der Wehrmachtsberichte, der Ankündigung einer Sondermeldung mit den Listschen Fanfarenstössen, "das U-Boot von Kapitän Soundso hat wieder ein feindliches Schiff von 40000 Bruttoregistertonnen versenkt." Es klang dann, wie wenn ein Fussballspieler den Ball in das Tor des Gegners geschossen hat. Und jetzt, dieses Lied.
Vielleicht vierzig Jahre später standen wir am Grab von Lale Andersen. Wir hatten unseren Beruf als Ärzte ausgeübt. Die Jahre waren über uns hinweggegangen. Unsichtbare Narben haben sie hinterlassen. Wiedersehen mit der Vergangenheit. Die Besichtigung von Emil Noldes Haus in Niebüll hatte uns aufgehalten. Wir freuten uns über seine schönen expressionistische Blumenbilder. Der Garten, in dem seine Modelle wuchsen, war abgeräumt. Der Herbst hatte begonnen. Nun noch Überfahrt nach Langeoog. Den Wagen hatten wir auf dem großen Parkplatz gelassen. Ein kleiner Friedhof in den Dünen ohne Zaun ohne Mauer empfing uns. Auf dem Grabstein aus poliertem roten Granit stand in großen Buchstaben LALE ANDERSEN. Es war eine schlichte längliche Platte, nicht hoch, die obere Kante etwas geschwungen. Der Name wuchs gewissermaßen aus niedrigem Gesträuch und Blumen heraus. Wir standen still vor dem Grab, jeder in seine Gedanken versunken. Das wehmütige Lied vom Soldaten, der Abschied nimmt, hing in der Luft. Es hatte sich losgelöst von der Sängerin. Im Krieg hörten es unsere ehemaligen Feinde ebenso wie wir, später die ganze Welt. Es war sozusagen ein "Weltkulturerbe" geworden. Annemarie summte die Melodie leise vor sich hin.
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