STUFF: November 2002  
















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GEDANKEN: ICH UND MEINE ZEIT oi: 2002-10-19

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Geschichten aus einer JVA: Ein kurzer Abriss eines jungen Lebens.


Das erste Mal erblickte ich das Licht der Welt an einem blühenden April 1981 in einer Stadt namens E .... . Zu dieser Zeit wusste ich noch nicht, was mich erwartet, ausgestattet mit dem Leben, Denken und Hoffen, was ich von meinen proletarischen Eltern ererbt hatte.

An Kinderkrippe und Kindergarten erinnern leider nur noch Fotos, wo ich mich zum Fasching als Koch oder auch Mal als Neptun mit Dreizack präsentierte.

1987 kam dann die langersehnte Einschulung. Noie Herausforderungen und Aufgaben wie das ABC- oder das 1x1-Lernen bauten sich plötzlich wie hohe Türme im Mondschein vor mir auf.

Aber ich war ja schließlich nicht allein mit dem Problem "Schule" und so lernte ich drei, vier Freunde kennen, mit denen ich am Nachmittag Buden baute oder kleine Jungenstreiche verübte. Es war wohl eine schöne Zeit, da ich kaum Probleme hatte oder sie noch nicht erkannte ... Es war mir sowieso scheißegal, wie die Reaktionen auf meine Aktionen ausfielen. Jedenfalls zog die Zeit vorbei und mit der Größe meines Körpers wuchs die Anzahl meiner Probleme, die das Leben so mit sich bringt.

Man sieht die Welt mit anderen Augen und erkennt, dass man im Leben ziemlich viele Arschtritte kassieren muss, aber man lässt den Kopf nicht hängen und versucht das Beste daraus zu machen.

Dann kam die erste Freundin und ich dachte, den Sinn des Lebens begriffen zu haben. Niemand konnte mich aufhalten, die Liebe war riesig - doch keine Liebe ist ewiglich ... und diese Erfahrung machte ich nach zwei Jahren langweiliger Hoichelei.

Nun begann ich das zu machen, was mir wichtiger erschien, als feste Beziehungen zu haben. Ich suchte mir Loite oder ich traf sie auch zufällig, mit denen es Spaß machte, abends um den Block zu ziehen und heimlich geklaute Kippen zu rauchen. Irgendwann kam dann auch wohl der Alk mit ins Spiel. Aber wir tranken das Bier nicht nur, um uns gegenseitig was zu beweisen oder weil wir "Männer" sein wollten, sondern weil es uns geschmeckt hat und weil wir gern rülpsend durch die Gegend sprangen.

Es kam die Zeit, wo wir uns mit anderen Jugendlichen messen wollten. So traf man sich auch zur Schlägerei mit Typen aus anderen Banden und anschließend wurde ordentlich die Zeche geprellt und Mädels aufgerissen, das gehörte zum Leben dazu.

Mit 16, 17 trafen wir uns häufiger in der Innenstadt. Wir merkten schnell, das die verdammte Kurstadt eher auf reiche Kurgäste steht als auf Jugendliche. Wir machten auf uns aufmerksam mit Unterschriftenlisten und der Androhung der öffentlichen Boykottierung der Stadt. Wir bekamen einen kleinen Proberaum in der Musikschule. Ich versuchte mich als Drummer einer Combo, die nur Fun im Auge hatte. Doch so richtig wurde das auch nix. Der Probenraum musste meistens als Fuselhalle oder Kiffzentrale herhalten und so war der Rausschmiss vorprogrammiert. Es folgten unangemeldete Konzerte vor dem Rathaus mit dem Notstromaggregat und ´ner Menge Bier. Die Stadtverwaltung ließ sich von der lauten Musik nicht beirren und rief die Polizei.

So ließ es sich gut leben zwischen Konzerten, Bullenstress und Randale. Ab und zu ging ich zur Maloche, um Geld fürs Wochenende zu verdienen.

Ich hatte noch nie den Drang nach der deutschen Paradiesvorstellung: "Alles hat seine Ordnung". Das Auto steht auf der rotgefärbten Betonplatte und nicht auf dem Rasen. Der Löwenzahn wächst schön brav im zugewiesenen Gartenbiotop. Traut er sich über die Betonkante: Kopp ab! Und genau das ist das tiefe Geheimnis der Hässlichkeit in diesem Land. Wohin man schaut, man möchte am liebsten in die Landschaft brechen. Schon seit langem warte ich darauf, dass Tourbusse für ausländische Touristen vollgekotzt in die Depots zurückgebracht werden und Bürger aus ästhetischen Gründen dieser Republik auf ewig den Rücken kehren. Eines weiß ich genau: "Auf diesen Scheiß Staat scheiße ich und daran ändert auch kein Knast etwas. Das ist mein way of life: Pogo, Bier, Anarchie und ein Paar fette Titten."



Redaktion: Wir drucken unzensiert ab: Ganz oder garnicht. Dennoch eine kleine Notiz für "oi":

Teilweise können wir deine Wut und vielleicht Ohnmacht verstehen. Könnt es jedoch auch sein, dass manches in deiner eigenen Hand liegt und du es ändern kannst?

Wir hoffen jedenfalls für dich, dass du dein ganz individuelles Leben findest, welches dich erfüllt. Immer gegen alles zu treten, was sich bewegt, ist nicht gut. Schon garnicht, wenn man Freunde finden will. "Froinde", die einen verstehen und richtig lieben.

Wir wünschen dir, dass du einen Weg findest, der dir Freude am Leben bringt. Dieser Wunsch ist übrigens echt und ohne Hintergedanken; einfach so...


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