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KURZGESCHICHTE: ANDERS mohan: 2004-11-30

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Als ich aufwache scheint alles normal. Doch irgendetwas scheint anders zu sein. Eine Kurzgeschichte zum Nachdenken.


Als ich aufwachte, fühlte ich, dass irgendetwas nicht stimmte. Mit diesem Gefühl ging ich zum Fenster und öffnete es. Doch alles schien wie gestern abend, keine Veränderungen waren auszumachen. Nach dem Frühstück rief ich meine Freundin an und machte mit ihr aus, dass wir uns im Stadtpark treffen. Gut gelaunt trat ich aus der Wohnung. Die Sonne schien, meine Laune war in Hochform. Außerdem werde ich ja gleich meinen Schatz treffen.

Die Straßen waren ziemlich leer, nur wenige Menschen waren unterwegs. Mir fiel ein schwules Pärchen auf, das händchenhaltend entlangschlenderte. "Das die das jetzt so in aller Öffentlichkeit zeigen. So etwas abartiges wäre früher nicht passiert. Einfach widerlich dieser Anblick." Dies drückte kurz auf meine Laune, aber der Anblick meiner Freundin hob sie sofort wieder. Einen Kuss zur Begrüßung, dann setzten wir uns in ein Cafè. Dort war ebenfalls noch nicht viel los. Einige ältere Menschen saßen neben wenigen jungen verteilt an den Tischen. Wir bestellten einen Latte Machiato. Ich war richtig glücklich und gab meinem Herzblatt einen innigen Kuss.

Doch was war das? Im Café entwickelte sich ein Tumult. "Das ist ja das allerletzte." "Schaut euch diese Perversen an." "Also einfach nur abartig." Wir schreckten auf und ich suchte ein schwules Paar, das sich gerade küsste. Doch ich fand keines. Moment. Was ging hier ab? Die Aufschreie galten uns. Wir waren das abartige, perverse Paar. Die Leute gingen auf uns los. Ich kam mir vor wie im falschen Film. Was passierte hier? Nichts wie raus und die Flucht ergreifen war mein Gedanke. Ich nahm meine Freundin und wir stürzten aus dem Café.

Doch draußen ging es erst richtig los. Eine gewaltbereite Meute jagte uns vor sich her. "Nieder mit dem Pack." "Macht diese Perversen fertig." hörte ich sie schreien. Wir hatten die Hosen voll und rannten so schnell wir konnten. Aber irgendwann war unsere Kondition am Ende und wir sanken erschöpft zu Boden. Sofort waren wir von der Menge umringt. Sie sahen alle nicht gerade freundlich aus. Nicht unbedingt die Gesellschaft, in der man sich wohlfühlt. Doch irgendetwas stimmte nicht. Ja jetzt sah ich es. Der Haufen waren wohl Schwule und Lesben. Denn einige küssten sich. War ich jetzt in einer verkehrten Welt gelandet? Schwule und Lesben sind normal und Heteros werden verfolgt und diskriminiert? Es schien so.

Denn jetzt ging die Schimpftriade wieder los. Wir sind doch Perverse, wir treiben es mit dem anderen Geschlecht. Das sei doch wider die Natur, einfach abartig. Wir wären Abschaum, den man beseitigen müsse. Und dann kamen sie näher. Ich roch schon ihre Alkoholfahnen und sah wie sie ihre Fäuste ballten. Einer stürmte auf mich zu und ich fiel hin. Ich hielt die Hände schützend vor mein Gesicht. Jetzt ist es aus.

Mit einem lauten Krachen und verschwitzt wachte ich neben meinem Bett auf. Ich war wohl gerade herausgefallen und unsanft aufgekommen. Puh. Ich hatte das alle nur geträumt. Da hatte ich ja noch einmal Glück gehabt. Alles war beim alten. Alles? Fast alles. Denn der sehr reale Traum brachte mich zum Nachdenken.

Ich erinnerte mich an das schwule Pärchen, das ich mit meinen Kumpels letzens im Park vermöbelt hatte. "Ja gebt es dem Abschaum. Der hat es nicht besser verdient." Wir schlugen so lange auf sie ein, bis sie bewusstlos waren. Dann ließen wir sie einfach liegen. Wir fühlten uns wie Helden. Wir hatten es den "Drecksschwuchteln" mal wieder richtig gezeigt. Alles lief so ab wie in meinem Traum.

Jetzt wurde mir bewusst, wie es den beiden ergangen sein muss. Wir hatten sie grundlos zusammengeschlagen und das nur, weil sie nicht "normal liebten". Was ist aber normal? Ich begann über meine Vorurteile nachzudenken. Etwas begann sich in meiner Welt zu ändern. Meine Vorurteile gegenüber Schwulen und Lesben waren am Bröckeln, mein Weltbild kam ins Wanken.


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