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REPORTAGE: EINE ZWEITE AMTSPERIODE BUSHS LäSST NICHTS GUTES ERWARTEN kirschi: 2004-11-16

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Nach der Wiederwahl eines der umstrittensten Präsidenten ein kleiner, kurzer und deshalb auch unvollständiger, jedoch trotzdem bezeichnender Rückblick auf vier Jahre Außenpolitik unter George W. Bush, der nichts Gutes für die Zukunft erahnen lässt.


Selten spaltete ein US-Präsident die Kluft zwischen Alter und Neuer Welt derart wie George W. Bush. Unter seiner Amtszeit kristallisierte sich erstmals in der Geschichte der europäisch-amerikanischen Beziehungen eine transatlantische Verstimmung heraus, wie sie umfassender bisher nicht aufgetreten war. Obwohl sich die Europäer im Allgemeinen von der unilateralen, teilweise rücksichtslosen Politik des Texaners im Weißen Haus distanzieren und abgeschreckt fühlen, traten in den vergangenen vier Jahren spezielle Staaten in den durch das politische Auseinanderdriften der beiden Kontinente entstanden Spalt, um die eingeschränkte Zusammenarbeit durch besondere, übermäßige Unterstützung auszugleichen.

An erster Stelle in Europa rangieren dabei- historisch verständlich- die Briten mit Tony Blair. Stets übernahm der Labour-Premier die Argumentationsweise seines republikanischen Gegenübers und unternahm alle nötigen Schritte zur Sicherung der amerikanischen Weltpolizistenrolle. Am klarsten zeigt das der Irakkrieg: Sowohl das Märchen von Massenvernichtungswaffen, als auch der Militärschlag als einzig gangbarer Lösungsweg bestimmten Blairs Außenpolitik. Nun steht Blair- nebenbei bemerkt- auf der Abschussliste in der eigenen Partei und sein sauberes Image eines starken Staatsführers ist verblasst wie eine Sternschnuppe.

Wesentliche Unterstützung leistete auch Italiens Premier Silvio Berlusconi, ein bekennender Bush-Freund, sowie der ehemalige spanische Ministerpräsident, Jose Maria Aznar. Nachdem Aznar jedoch baskische Separatisten für den fatalen Terroranschlag am Madrider Bahnhof Atocha mit 191 Todesopfern verantwortlich machen wollte, rechnete das Volk mit der öffentlich gewordenen Lügentaktik des Konservativen ab und ermöglichte einen Wahlsieg der Sozialisten, die einen sofortigen Abzug der spanischen Truppen im Irak versprachen und sogleich umsetzten.

Doch ebenso tragende Rollen in den Beziehungen zwischen USA und Europa kamen den neuen, der EU am 1.Mai beigetretenen Staaten wie Polen zu, die- sich teilweise gegen die offizielle Anti-Irakkriegshaltung wendend- Solidarität mit den militärischen Zielen der Vereinigten Staaten bekundeten. Nichtsdestotrotz zeichnet sich die erste Amtsperiode der Bush-Administration durch schwere Meinungsverschiedenheiten mit den Partnern auf der gegenüberliegenden Seite des "großen Teiches" aus.

Da findet sich an erster Stelle die Außenpolitik der US-Hardliner gegenüber Israel/ Palästina, Iran und Syrien. Die "gemäßigt-konservative" Haltung Bushs im Nahostkonflikt, die beinahe uneingeschränkte Unterstützung des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon bei gleichzeitiger Ablehnung des palästinensischen Konterfeis Yassir Arafat und eine offensichtlich eingeschränkte Bereitschaft zur Lösung des gegenseitigen Abschlachtens von Israelis und Palästinensern fokussierten den Hass auf die USA. Entladen hat sich dieser wiederum in den Terroranschlägen des 11.9. in New York und Washington- mit den folgenreichen Beschlüssen, einen Kampf gegen den Terror zu initiieren.

Dieser weltweite Feldzug gegen den Amerika-Hass sowie gegen die die westlichen Errungenschaften auszuradieren versuchenden Extremisten verlieh der Präsidentschaft Bushs erst ihre Bedeutung und Berechtigung. Ein politisch schwach erscheinender, durch Wahlbetrug zum obersten Staatsmann gewählter Republikaner mutiert zum religiös- fanatischen von Gott auserwählten Kriegsherren, der Ordnung in islamistisch infizierten Weltgegenden zu säen trachtet.

Beim ersten Antiterrorfeldzug gegen das von den Taliban tyrannisierte Afghanistan bekundeten alle Europäer noch ihre uneingeschränkte Solidarität mit der verwundeten Weltmacht, doch als es zu einer Abrechnung mit dem Diktator Saddam Hussein am Tigris kommen sollte, entfachte ein kontroverser Flächenbrand das politische Tapet.

Die europäische Anti-Kriegsfraktion, angeführt von der wieder an Bedeutung gewinnenden Achse Paris-Berlin, wehrte sich vergeblich gegen den nicht vom Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen legitimierten Einmarsch im ölreichen Irak, während innereuropäische Kriegsbefürworter eine Kluft in der EU aufrissen. Später wird der von den USA eingesetzte Waffeninspektor David Kay am 23.1.2004 seinen Rücktritt mit der Begründung erklären, dass sein 1500-Mann starkes Team (eine Anzahl von der die IAEO-Inspekteure nur träumen hätten konnten) keine Massenvernichtungswaffen ausfindig machen hat können und zum Zeitpunkt des Kriegsbeginns wahrscheinlich auch keine im Besitz Saddam Husseins waren.

Ein halbes Jahr danach zerbröckelt mit dem Endbericht der 9/11-Kommission zur Untersuchung des Versagens von US-Geheimdiensten bei den Flugzeugattentaten im Jahr 2001 ein weiterer Hauptgrund für den Irakkrieg: Zwischen Al-Kaida und Irak wurde entgegen den endlosen Beschuldigungen des US-Präsidenten (die trotz dieser Aufklärung noch immer eine Mehrheit der Amerikaner für wahr halten) keine Verbindung gefunden.

Kurz zuvor tritt der CIA-Chef George Tenet aus persönlichen Gründen zurück- keiner zweifelt, dass Tenet als Opfer für die verkorkste Argumentation des Feldzuges gegen Saddam Hussein gehen muss. Schließlich bestätigt er in seiner Abschlussrede noch, dass die Geheimdienste den Irak niemals als unmittelbare Bedrohung betrachtet hätten.

Viel schlimmer trafen das Herz der Außenpolitik dagegen die Folterbilder aus Abu Ghraib. Daneben wirkt die illegale Inhaftierungspraxis der Vereinigten Staaten in Guantanamo Bay auf Kuba, wo noch immer 600-800 Gefangene ohne Anklage und entgegen eines Urteils des Obersten Gerichtshof der USA unrechtmäßig festgehaltenen werden, mit den vor kurzem eingerichteten Militärtribunalen zur raschen Verurteilung wie eine sanfte Entspannungstherapie. Die Causa Irak stellt jedoch nur eine Stufe auf der beschwerlichen Treppe der außenpolitischen Fettnäpfchen der Bush-Regierung dar. In heftige Kritik geriet das Land des Weiteren wegen der Nicht-Unterzeichnung des Kioto-Protokolls. Der wohlhabendste Staat der Erde kann sich Klimaschutzmaßnahmen nicht leisten, beteuert Bush 2001.

Erbarmungslos gestaltet der Kriegspräsident zudem die Beziehungen zu der "Achse des Bösen". Mit dem Iran wird weiterhin hart gepokert, während die EU mildere Töne anschlagen will, um eine einvernehmliche Lösung im Streit um das von den Ayatollahs betriebene Atomprogramm zu erreichen. Vor Nordkorea zeigt man derzeit- die in den Händen des Diktators Kim Jong-il weilende Atombombe fürchtend- zurückhaltenden Respekt. Sanktionen gegen den Schurkenstaat Syrien werden hingegen weiterhin aufrechterhalten.

Einlenken hat die harte Haltung der USA bisher nur bei Lybiens Staatschef Muamar Gaddafi bewirkt. Mit dem Verzicht auf die Erforschung auf Massenvernichtungswaffen wurden die Handelsbeziehungen mit dem nordafrikanischen Staat wieder aufgenommen. Viel verlockender dürfte Gaddafi jedoch auf die damit eröffneten finanziellen Möglichkeiten im Handel mit der EU geblickt haben.

Am Ende einer Bilanz der US-amerikanischen Außenpolitik unter George W. Bush bleiben zwei noch immer wegen des Terrors blutende Staaten (Irak, Afghanistan), eine transatlantische Kluft mit innereuropäischen Auswirkungen (Letztere wohl eher eine Schuld der EU selbst), viele weltweite Krisenherde, wo ein Eingreifen für die USA trotz drängender Notwendigkeit nicht rentabel erscheint (z.B. Darfour, Elfenbeinküste oder Nepal) sowie eine zunehmende Polarisierung zwischen Arm und Reich unter dem Mantel eines Religionskonflikts. Von den übrigen Herausforderungen der Menschheit (Krankheiten, Nahrungsmangel etc.) gar nicht erst zu reden. Doch nur ein Weg, der die Armut auszumerzen und den Wohlstand der unterprivilegierten Menschheit zu heben versucht, wird den Terror eindämmen können.

Leichter gesagt als getan? Bush scheint genau einen gegenteiligen Weg einzuschlagen und schadet damit nicht nur seinem eigenen Volk, sondern der ganzen Erdbevölkerung. Ungeachtet dessen, ob es jemanden gibt, der es besser machen könnte: Eine verlängerte Amtszeit Bushs lässt nichts Gutes erahnen.

Fotos: Pentagon

Gastartikel von unserem Partnermagazin "net-thinkers" www.net-thinkers.de


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