STUFF: August 2000  
















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GEDANKEN: SOMMER ingeborg schäfer-siebert: 2000-07-20

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Wie viele Sommer habe ich schon erlebt, und wie verschieden sind sie ausgefallen! Ich grabe mal ein bisschen in meinen Erinnerungen...


Summertime! Urlaubszeit! Reisezeit!

Wie viele Sommer habe ich schon erlebt, und wie verschieden sind sie ausgefallen! Ich grabe mal ein bisschen in meinen Erinnerungen.

Da waren die Großen Ferien während der Kriegszeit.

Einmal hat meine Mutter mit uns Kindern einige Wochen in einem Ostseebad verbracht. Meine nachhaltigsten Eindrücke damals? Strandburg bauen dicht an dicht, die Wälle mit Muscheln schmücken und gegen die Nachbarn absichern. Drei Tage lang den Sand in der Burg durchsieben, weil meine Mutter ihren Ehering verloren hatte, der ihr sehr wichtig war. Gott sei Dank glitzerte er plötzlich in dem Sieb! Und zur Belohnung gab´s eine Pferdekutschenfahrt durch die an der Ostsee strandnahen Wälder; ein Erlebnis für Kinder in einer Zeit noch ohne Auto.

Im übrigen hatten auch wir jüngeren Schüler Ferienarbeiten zu verrichten für den ´Totalen Krieg´. Die bestanden im Sammeln von Maulbeerblättern für die Seidenraupenzucht, die in unserer Schule angelegt war; denn aus Seide wurden Fallschirme hergestellt. Da ich aber lieber ins Schwimmbad ging, wo ich mich mit den Freundinnen traf, als die langweiligen Blätter zu sammeln, bekam ich eine negative Bemerkung darüber ins spätere Schulzeugnis, ebenso darüber, dass ich mich an der ebenfalls ´kriegswichtigen´ Altmaterialsammlung (mit einem Wägelchen von Haus zu Haus gehen und um Altmetall, Papier und Textilabfälle bitten) kaum beteiligt hatte.

Nach dem Krieg war für uns als Flüchtlingsfamilie an Reisen natürlich nicht zu denken. Stattdessen gingen wir Kartoffeln oder Getreide stoppeln: Wenn ein Feld abgeerntet wurde, standen ringsherum schon Scharen von hungrigen Leuten, und sowie der Erntewagen weggefahren war, stürzten sich alle auf die Reste, die da aber in so geringen Mengen herumlagen, dass Kinder wie wir meist leer ausgingen.

Und dennoch haben wir dank meiner Mutter auch die schönen Seiten des Sommers erlebt. Denn sie hat es trotz Alltagsnot und Sorge um meinen Vater, der sich in sowjetischer Kriegsgefangenschaft befand, verstanden, in uns die Freude an Dingen zu wecken, die nichts kosten und die jedermann zugänglich sind. Ich denke unter anderem an Waldspaziergänge, an die Vielfalt der Gräser, an bunte Blumen, Vogelstimmen und Sonnenuntergänge, an Licht und Farben in der Natur. Sie hat uns sehen und hören gelehrt.

Meine erste Nachkriegs-Sommerreise habe ich als Studentin per Anhalter unternommen; das war Anfang der 50er Jahre für einkommenslose Jugendliche oft die einzige Möglichkeit, irgendwohin zu fahren. Übernachtet wurde in Jugendherbergs-Massenlagern oder auch mal neben einem Hühnerstall. Aber ich habe zum erstenmal in meinem Leben die Alpen gesehen.

Später, ich war inzwischen verheiratet, wurde es nobler. Wir hatten einen alten VW-Käfer und zelteten an der Nordsee. Bei einem schweren nächtlichen Sturm brachen fast alle Zelte auf dem Platz zusammen. Nur unseres hielt stand, weil wir uns stundenlang mit aller Kraft von innen gegen die sich durchbiegenden Zeltstangen gestemmt hatten; ich heulte vor Erschöpfung. Am Tage darauf fuhren wir heim.

Im Jahr darauf ging´s wieder in die Alpen. In der Frühe leckten die Kühe des Bauern, auf dessen Wiese wir campierten, unser Zelt ab; glücklicherweise taten sie nicht mehr. Beim Bauern konnten wir frische Milch kaufen. Und auf einem kleinen wackeligen Hartspiritus-Kocher vor dem Zelt übte ich mich in naturverbundener Wirtschaftsweise. Als es tagelang geregnet hatte und es nirgendwo ein trockenes Fetzchen Stoff mehr gab, fuhren wir heim.

Seitdem habe ich manch schöne Sommerreise machen können mit und ohne Familie, individuell und als Studienreise. Ich bin dankbar, dass mir das möglich war (und auch noch sein wird) und zehre von vielen bereichernden Eindrücken. Und die zahlreichen Dias genieße nicht nur ich.

Aber es gab auch Jahre, in denen ich von meinem Beruf so erschöpft war, dass ich weder Schwung noch Kraft hatte, irgendetwas zu unternehmen, sondern froh war, auf dem Balkon liegen und abtauchen zu können.

Nun stehen die kleinen Enkel vor der Tür voller Erwartung, dass man ihnen ihre Sommerferien erlebnisreich gestaltet. Und ich werde mir große Mühe geben.

Summertime! Wie vielschichtig! So vielschichtig wie das Leben überhaupt. -

Nutzt die Zeit, nehmt Euch etwas Schönes vor! -

Schafft Erinnerungen, die Euch auch später noch Freude machen! -

Aber glaubt nicht, dass das Geld die wichtigste Voraussetzung dafür sei! -

Gönnt Euch eine Auszeit, mal nicht nur fürs Aktivsein, sondern auch fürs Hinsehen und Hinhören, fürs Stillesein! Man kann so viel dabei erleben.

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